„Schäm dich!“ – Für deine Wahl, nicht für meine Meinung
Liebes Tagebuch,
erinnerst du dich an unseren gestrigen Eintrag, „Brandenburg wählt: Willkommen in der politischen Tretmühle„? Nun ja, scheinbar haben wir damit bei einigen einen Nerv getroffen, denn mein Postfach explodiert gerade vor lauter Liebesbekundungen..
Ach, die guten alten Wahlen! Ein Fest der Demokratie, bei dem jeder seine Meinung sagen darf. Und wie sie gesagt wird! Ich habe da mal einen kleinen Blick in meinen Posteingang geworfen, und, nun ja, was soll ich sagen? „Farbenfrohe“ Nachrichten, die nicht mal ein Regenbogen hinbekommen würde. Da bekomme selbst ich einen roten Kopf – aber eher, weil mir die grammatikalischen Fehler die Schamesröte ins Gesicht treiben, nicht wegen des Inhalts.
Da wird mir also geraten, mich zu schämen. Warum? Weil ich es gewagt habe, Kritik zu äußern – und zwar gegen die glorreichen Retter der Nation, die AfD, die natürlich nur unser Bestes will (ich überlege immer noch, was genau das sein soll). Offenbar wähle ich also nicht die „richtige“ Partei, und deshalb bin ich jetzt der Feind. Ja, genau – der Feind im eigenen Land. Die Mails klingen so, als würde ich höchstpersönlich in der Nacht Asylbewerber über die Grenze schleusen, um Deutschland zu „schwächen“. Hach, wenn ich doch nur die Zeit und die Energie dafür hätte.
Die Sache mit der „Selbstbestimmung“
Also, liebe Kommentatoren, ihr wählt die AfD für „freie Entfaltung“ und „Selbstbestimmung“, ja? Spannend. Gibt’s da eigentlich auch ein Bonusprogramm? So etwas wie „Selbstbestimmung für dich, aber wehe, der Rest hat eine andere Meinung!“? Ihr wollt also Freiheit – aber bitte nur, solange niemand anderer Meinung ist als ihr. Andernfalls gibt’s die Schublade: Links-grün-versifft, naiv, „Volksverräter“, der ganze Katalog eben. Dabei könnte man sich doch auf das uralte Prinzip einigen: „Leben und leben lassen.“ Aber das passt scheinbar nicht so gut ins Wahlprogramm.
Sicherheit – aber für wen?
Und dann dieses große Schlagwort „Sicherheit“. Sicherheit vor wem oder was genau? Vor Menschen, die verzweifelt sind und versuchen, ihrem Elend zu entkommen? Vor Frauen, die selbst über ihren Körper entscheiden wollen? Vor Kindern, die hoffentlich mal in einer Welt ohne Hass und Intoleranz aufwachsen? Vielleicht habt ihr’s nicht mitbekommen, aber das ist die Art von „Sicherheit“, die mich nachts nicht schlafen lässt.
Ein Hoch auf den Hass (und den Duden)!
Und die E-Mails! Diese liebevoll geschriebenen, gut durchdachten Hassmails, die mir mitteilen, dass ich mit meiner Einstellung Deutschland untergrabe. Ja, ich, mit meinem Blog, in meiner kleinen Ecke des Internets. Leute, ich wusste ja, dass ich Einfluss habe, aber dass ich ganze Länder zu Fall bringen kann – das ist neu. Vielleicht steht bald in den Geschichtsbüchern: „Die eine Bloggerin, die Deutschland zerstört hat.“ Witzige Vorstellung, oder? Aber eine Frage drängt sich mir doch auf: Warum haben so viele von euch die gleiche Rechtschreibung wie der politische Kurs, den ihr verteidigt – etwas holprig und mit vielen Fragezeichen?
Und jetzt, was nun?
Soll ich mich also wirklich schämen? Hm, das wäre vielleicht ein wenig zu einfach. Wofür sollte ich mich schämen? Dafür, dass ich sage, was ich denke? Dafür, dass ich mich für Menschenrechte, Toleranz und Mitgefühl ausspreche? Dafür, dass ich Angst habe, dass die nächste Generation von Frauen und Mädchen durch rückwärtsgewandte Politik eingeschränkt wird? Wenn das Scham ist, dann trage ich sie mit Stolz.
Wer die Feder führt, bestimmt die Geschichte
Am Ende des Tages werde ich natürlich weiterschreiben. Werde ich meine Meinung ändern? Sicher nicht. Und ihr, liebe AfD-Fans, werdet weiterhin eure Mails schreiben, mit wackeliger Grammatik und schlagkräftigen Argumenten. Aber eins verspreche ich euch: Wer die Feder führt, bestimmt, wie die Geschichte weitergeht. Und solange ich sie in der Hand habe, werde ich weiterschreiben – darüber, was schiefläuft, wer sich falsch verhält, und warum es wichtig ist, auch mal gegen den Strom zu schwimmen – selbst, wenn’s unbequem ist.
Mere de Belle
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