Hütten-Bashing Reloaded – Eintrag 97

Hütten-Bashing Reloaded

Ein Stadtdenkmal für Resignation

Ich: „Ähm… Tagebuch, sag mal, hast du das gehört?“ Dieser Vorwurf… bipolare Störung!“

Tagebuch: „Oh Gott, vielleicht bin ich’s! Sag, hörst du da auch diese leise, kritische Stimme?…“

Wenn Kritik als Krankheit diagnostiziert wird: Der Vorwurf der „bipolaren Störung“

An dieser Stelle wird’s persönlich – und ja, auch verletzend:

Kritik an der Stadt wird hier also mit einer psychischen Störung gleichgesetzt. Ein Mensch, der hin und hergerissen ist zwischen Liebe und Frust für seine Heimat, wird hier also pathologisiert, als wäre Leidenschaft für Veränderungen eine Krankheit. Die Schublade „bipolar“ wird aufgezogen, weil es bequemer ist, den Kritiker als „verrückt“ hinzustellen, anstatt sich mit dem Inhalt auseinanderzusetzen.

Mir wurde geraten, doch lieber wieder zu gehen – als ob meine bloße Anwesenheit der Sargnagel für Eisenhüttenstadt wäre. Wie sagte es der nette Kommentator? Ich sei hier „nicht zu Hause“, ich würde „Hütten-Bashing“ betreiben. Doch ist es nicht so, dass genau diese Haltung der eigentliche Untergang der Stadt ist? Ist es nicht das wahre Bashing, wenn man sein Umfeld, seine Stadt und am Ende auch sich selbst aufgibt?

Das ewige Stigma des „Falschseins“

Falls der ein oder andere sich fragt, woher ich komme:

Ich – ein echtes Wende-Kind von 1990 – geboren zwischen den Stühlen von Ost und West, und weder das eine noch das andere – aber offenbar immer das falsche. Seit 34 Jahren darf ich mir von den Wessis anhören, wie schlaue Begriffe wie „Ossi-Schlampe“ oder andere, noch nett gemeinte Floskeln doch klingen. Die Ironie: Genau das zeigt mir, dass der „Besser-Wessi“ hier in den Kommentaren nur halb so beleidigend klingt.

„Wenn’s dir nicht passt, geh halt“ – Das Standardargument der Resignation

Ah, da ist er, der allseits beliebte Spruch: „Wenn’s dir nicht passt, dann zieh doch weg.“ Diese Haltung ist keine Liebe zu Eisenhüttenstadt; Es ist das Eingeständnis, dass man die eigenen Probleme lieber ignoriert, als sich ihnen zu stellen. Wäre es nicht viel sinnvoller, mal darüber nachzudenken, warum jemand, der hier lebt und die Stadt liebt, trotzdem oder gerade deshalb Kritik übt? Liebe bedeutet auch, dass man sich für das Beste in seinem Zuhause einsetzt – und ja, das bedeutet eben auch, unbequem zu sein.

Was wäre, wenn wir alle gehen?

Also gut, stellen wir uns vor, die „Hütten-Basher“ packen ihre Sachen und ziehen wirklich weg. Die, die ihre Ersparnisse und ihre Energie hier hergebracht haben, die sich in Projekte stürzen und die Hoffnung haben, dass Eisenhüttenstadt mehr sein kann als ein Relikt vergangener Tage. Wenn auch die „Weltverbesserer“ und „Besserwisser“ verschwinden – was bleibt dann? Bleiben dann die gut gelaunten Ureinwohner, die zufrieden sind mit dem, was ist? Die bittere Wahrheit ist doch, dass dann niemand mehr da wäre, um auch nur die kleinste Veränderung anzustoßen. Diese Stadt schleppt sich nicht aufgrund ihres immensen „Zuzugs“ durch den Alltag, sondern weil ihre Bewohner sich längst in einer Lethargie eingerichtet haben, die jeden Impuls im Keim erstickt.

Das „Hütten-Bashing“ – Warum Kritik keine Vernichtung ist

Was meine Kommentare über Eisenhüttenstadt angeht: Das ist kein „Bashing“! Kritik wird hier gleichgesetzt mit Verrat, und genau das ist das eigentliche Problem dieser Stadt. Jeder kritische Gedanke wird abgewehrt, als würde er das Fundament zum Einbruch bringen. Aber wo bleibt die Einladung zur Veränderung? Wo bleibt der Mut zur Verbesserung?

Hier die harte Wahrheit: Ein Ort, der sich selbst verschließt und Kritik nur als persönlicher Angriff versteht, verdammt sich selbst zur Stagnation. Also ja, vielleicht tut es manchmal weh, sich das klarzumachen – aber nicht hinzusehen, wird die Probleme nicht lösen. Würde Eisenhüttenstadt mehr Menschen wie mich akzeptieren, die es wagen, auch mal Unangenehmes zu sagen, dann könnten wir hier tatsächlich Großes bewegen.

Eine Einladung an die ewigen Kommentatoren: Eure Stadt braucht euch – aber wirklich

Und damit komme ich zu euch, die, die so heftig und „patriotisch“ gegen jede Form von Veränderung und Kritik kämpfen. Wenn euch an Eisenhüttenstadt wirklich so viel liegt, dann macht doch mehr als nur in Kommentarspalten zu nörgeln! Geht raus und zeigt, dass eure Liebe zu Eisenhüttenstadt mehr ist als nur Verteidigungsreflex. Engagiert euch, initiiert Projekte, bringt Ideen ein – macht mit bei den Themen, die euch angeblich so sehr am Herzen liegen. Eine Stadt, die nur in Kommentarspalten verteidigt wird, ist nicht viel Wert. Eine Stadt, in die Menschen Herz, Zeit und Ideen investieren, die aber auch Kritik aushält und daran wächst – das wäre die Stadt, die ich lieben könnte.

Mere de Belle

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